Viele USA-Reisende kennen die Strecke zwischen Washington, D.C. und New York City nur vom Flugzeug oder vom Greyhound- bzw. Flixbus. Dabei gibt es mit dem Amtrak Northeast Regional eine Fernverkehrsverbindung, die beide Städte innenstadtnah, ohne Sicherheitskontrolle und oft erstaunlich günstig verbindet – teilweise schon ab rund 25 Dollar bei sehr früher Buchung.
In diesem Blogbeitrag nehme ich dich mit auf meine Fahrt im North East Regional von Amtrak und beantworte die Frage:
Lohnt sich der 25-Dollar-Fernzug wirklich – oder ist der teure Acela bzw. ein Flug die bessere Wahl?
Das Ganze basiert auf meiner Reise und dem dazugehörigen YouTube-Video „Washington–New York für 25$: Lohnt sich der North East Regional von Amtrak wirklich?“. Wenn du also lieber bewegte Bilder magst, schau dir unbedingt das Video an – in diesem Artikel bekommst du die ausführliche Hintergrundstory, mehr Details und ein paar zusätzliche Fakten.
Überblick
Start in Washington D.C.: Politik, Prachtbau und Bahnromantik
Bevor es in den Zug geht, habe ich mir ein paar Stunden Zeit für Sightseeing in Washington genommen. Die National Mall mit ihren Monumenten, Museen und Regierungsgebäuden ist wirklich beeindruckend – egal, ob man schon zig Mal in den USA war oder zum ersten Mal.
Ein kurzer Abstecher in die Politik lässt sich in D.C. kaum vermeiden:
Rund um das Weiße Haus sind die Sicherheitsmaßnahmen deutlich spürbar. Im Vergleich zu früheren Aufenthalten fallen die stärkeren Absperrungen auf – ein sichtbares Zeichen dafür, wie nervös die aktuelle US-Politik teilweise wirkt. Dieser Kontrast aus frei zugänglicher Demokratie-Symbolik und schwer bewachten Zonen zieht sich irgendwie durch die ganze Stadt.

Washington Union Station – ein Bahnhof als Kathedrale
Nach etwa 30 Minuten Fußweg taucht dann mein eigentliches Ziel auf: Washington Union Station. Und hier muss man der USA eins lassen – das Ding ist ein echter Prachtbau.
- Eröffnet 1907/1908, im Stil der Beaux-Arts-Architektur
- Hohe Hallen, Marmor, Statuen, Blattgold – es wirkt eher wie ein Palast als wie ein Bahnhof
- Später wurde ein großer Teil zur Shopping-Mall umfunktioniert, was man an Läden wie McDonald’s oder Raising Cane’s mitten im historischen Gebäude deutlich merkt
Dieser Mix aus klassischer Bahnarchitektur und Fast-Food-Ketten ist irgendwie typisch amerikanisch: ein wenig glamour, ein wenig Konsum – und alles unter einem riesigen Dach.
Passagierzahlen im Vergleich zu Deutschland
Die Passagierzahlen der Washington Union Station erzählen viel über den Stellenwert von Fernverkehr in den USA:
- Im Zweiten Weltkrieg nutzten zeitweise bis zu 200.000 Menschen täglich den Bahnhof.
- Heute kommen – je nach Quelle – im Schnitt rund 70.000 Personen pro Tag durch die Station, inklusive Amtrak, Pendlerzügen (MARC, VRE) und Metro.
Zum Vergleich: 200.000 Fahrgäste am Tag entsprechen ungefähr der Größenordnung großer deutscher Knoten wie Stuttgart oder Hannover; 10–14.000 tägliche Fernverkehrsreisende (wenn man nur Amtrak auf dieser Relation betrachtet) sind eher Siegen-Niveau.
Das zeigt schon ganz gut: Fernverkehr in den USA ist ein Nischenprodukt, Flugzeug und Auto dominieren nach wie vor – trotz des dicht befahrenen Northeast Corridor.

Was ist der Amtrak Northeast Regional überhaupt?
Der Amtrak Northeast Regional ist so etwas wie das amerikanische Pendant zu einem schnellen IC oder „Langsam-ICE“:
- Er verbindet Boston / Springfield über New York, Philadelphia und Washington bis nach Virginia (Norfolk, Newport News, Roanoke).
- Die Teilstrecke Washington – New York ist rund 328–330 Kilometer lang und wird je nach Zug und Anzahl der Zwischenhalte in etwa 3 Stunden bis 3:30 Stunden zurückgelegt.
- Der Northeast Regional ist Amtraks meistgenutzte Verbindung: 2023 beförderte die Linie über 9,1 Millionen Fahrgäste.
Konkurrenz auf der gleichen Strecke ist vor allem der Acela, Amtraks Schnellzug mit weniger Stopps und etwas höheren Geschwindigkeiten – dafür aber auch wesentlich höheren Ticketpreisen.
Von Gates statt Gleisen: Boarding wie am Flughafen
Ein spannender Unterschied zu Deutschland ist das System der Gates:
- In der Union Station gibt es keine großen Zuganzeiger mit festen Gleisen, sondern Gates, ähnlich wie am Flughafen.
- Welches Gate und welches Gleis der Amtrak Northeast Regional tatsächlich nutzt, wird oft erst kurz vor Abfahrt bekannt gegeben.
Das sorgt dafür, dass sich vor den Gates schnell Menschentrauben bilden. Sobald die Anzeige aufspringt, wird der Zugang geöffnet, die Menschenmenge wird durch Absperrbänder zum Bahnsteig geführt – und erst dort betritt man den Zug.
Ticketkontrolle findet dabei nicht wie bei uns direkt am Eingang statt, sondern später im Zug. Für Europäer wirkt das alles ein wenig chaotisch, aber es funktioniert erstaunlich gut.
Sitzplatzwahl, Komfort & Innenraum
Im Coach Class–Bereich des Northeast Regional (vergleichbar mit 2. Klasse):
- Keine Sitzplatzreservierung: „Open Seating“ – wer zuerst kommt, sitzt zuerst.
- Große Beinfreiheit, eher wie Premium Economy im Flugzeug als wie eng bestuhlter Nahverkehr.
- Jeder Platz hat Steckdosen und einen Klapp-Tisch – meiner war zwar verbogen und ließ sich kaum wieder einrasten, aber das gehört wohl zur Patina dieser über 50 Jahre alten Amfleet-Wagen.
Die Wagen sehen von außen etwas nach Edelstahl-Toaster aus – typisch Amfleet – aber innen merkt man das Alter kaum. Die Sitze sind dick gepolstert, die Fenster groß, und das Fahrgefühl ist überraschend ruhig.

Tickets und Preise: Zwischen 25 und 250 Dollar
Kommen wir zum spannenden Teil: Was kostet der Zug Washington–New York mit Amtrak?
Die Antwort: Es kommt drauf an, WANN du buchst.
- Frühbucherpreise beginnen – je nach Auslastung und Aktion – bei etwa 22–25 Dollar für ein Ticket im Northeast Regional.
- Normale Vorausbuchung (ein bis zwei Wochen vorher) landet häufig irgendwo im Bereich 60–100 Dollar.
- Spontanbuchung am gleichen Tag kann richtig wehtun: je nach Verbindung und Nachfrage sind 200–250+ Dollar möglich – also das Zehnfache des Bestpreises.
Ich selbst habe den Zug rund 10 Tage vor Abfahrt gebucht und 78 Dollar bezahlt – preislich in Ordnung, aber kein absolutes Schnäppchen.
Vergleich: Flugzeug und Bus
- Ein spontaner Flug auf der Strecke Washington–New York kostet oft um die 150–180 Euro, hinzu kommen Transferkosten in die Innenstädte und Wartezeiten am Flughafen.
- Mit dem Bus (z. B. FlixBus oder andere Anbieter) sind Preise ab 35 Dollar möglich, die Fahrt dauert aber meist länger und ist weniger komfortabel.
Unterm Strich ist der Northeast Regional für mich der beste Kompromiss aus Preis, Reisezeit und Komfort – besonders, wenn man rechtzeitig bucht.
Wo kauft man die Tickets?
Du hast mehrere Optionen:
- Direkt bei Amtrak über amtrak.com, App, Automaten oder Schalter.
- Über Portale wie Omio, die den Buchungsprozess etwas vereinfachen und teilweise bessere Übersicht über Alternativen (Bus/Zug) bieten.
Ich persönlich nutze gerne Omio, weil die Dateneingabe schneller geht. Am Ende liegt es aber daran, wo du dich wohler fühlst – preislich sind die Unterschiede meist gering.
Service an Bord: Personal, WLAN & Bordbistro
Amtrak-Mitarbeiter: Überdurchschnittlich freundlich
Was mir bei mehreren Fahrten mit Amtrak immer wieder auffällt:
Das Personal ist erstaunlich freundlich.
Die Zugbegleiter*innen nehmen sich Zeit für Smalltalk, erklären bereitwillig den Fahrplan und gehen selbst mit Ärgernissen menschlich um. Ein Beispiel aus einer früheren Fahrt:
Eine Mitreisende hatte ein Ticket für den falschen Tag gebucht und sollte mehrere Hundert Dollar Strafe zahlen. Statt sie schroff abzufertigen, zeigte der Zugbegleiter Verständnis und brachte ihr später sogar einen Kaffee, um sie etwas aufzumuntern.
Ganz ehrlich: Solche Geschichten erlebe ich in Europa eher selten.
WLAN & Bordbistro
Offiziell wirbt Amtrak auf dem Northeast Corridor mit kostenlosem WLAN an Bord.
In der Praxis ist das:
- Mal vorhanden, mal nicht
- Oft langsam und reicht meist eher für E-Mails als für Streaming
Auf dieser konkreten Fahrt war es besonders „spannend“: Das WLAN tauchte erst gar nicht in der Auswahlliste auf – also kein Internet, dafür blieb wenigstens mehr Ruhe im Wagen.
Im Bordbistro (Café-Car) gibt es:
- Softdrinks, Kaffee, Snacks
- Burger, Sandwiches und kleinere warme Gerichte
Preislich ist das für amerikanische Verhältnisse okay: etwa 3 Dollar für ein Softgetränk, rund 8 Dollar für einen Burger – in vielen US-Bahnhöfen und Flughäfen zahlt man deutlich mehr.
Ich habe das Angebot auf dieser Fahrt nicht getestet, aber im Video blende ich die Karte ein – wer neugierig ist, sollte also unbedingt reinschauen.
Technik: Deutsche Lok, amerikanische Wagen & die Zukunft mit Amtrak Airo
Für Eisenbahn-Nerds (und alle, die es werden wollen) ist der Fahrzeugpark des Northeast Regional spannend.
Heute: Siemens ACS-64 und Amfleet-Wagen
Aktuell besteht der Zug meist aus:
- einer Siemens ACS-64 „Cities Sprinter“-E-Lok
- mehreren Amfleet-I-Wagen der 1970er-Jahre in Coach und Business Class plus Café-Car
Die Lok basiert technisch auf der EuroSprinter/Vectron-Plattform, ist aber für den US-Markt angepasst: verstärkter Lokkasten, andere Crashnormen, Mehrsystem-Ausrüstung für die unterschiedlichen Stromsysteme des Northeast Corridor.
Morgen: Amtrak Airo – ein bisschen Railjet in den USA
In den nächsten Jahren sollen diese Züge nach und nach durch Amtrak Airo ersetzt werden:
- Push-Pull-Zugsets mit Siemens Charger-Lok und Venture-Wagen auf Basis der europäischen Viaggio Comfort-Plattform (also im Kern „Railjet-Technik“).
- Größere Fenster, moderne Innenräume, USB-Steckdosen, verbesserte Energieeffizienz.
- Geplanter Start im Jahr 2026, zunächst auf bestimmten Korridoren, später auch auf dem Northeast Regional.
Das heißt übersetzt: Die Zukunft des amerikanischen Fernverkehrs wird deutlich moderner, bleibt aber beim klassischen Konzept „Lok + Wagen“ – ähnlich wie beim österreichischen Railjet.

Die Fahrt: Von pünktlich bis 45 Minuten Verspätung
Zurück zu meiner Reise:
Wir verlassen Washington Union Station mit 2 Minuten Verspätung, was kaum der Rede wert ist. Der Wagen ist zu etwa 80 % ausgelastet, die Stimmung ruhig, der Sonnenuntergang draußen macht die Fahrt richtig angenehm.
Zwischenhalte unter anderem:
- BWI Thurgood Marshall Airport
- Baltimore
- Wilmington
- Philadelphia
- Newark
- und am Ende New York Penn Station
Bis Philadelphia läuft alles perfekt – wir erreichen die Stadt sogar 5 Minuten vor Plan. Doch kurz vor Newark holt uns der Alltag des Bahnverkehrs ein: Der Zug bleibt einfach stehen.
Stillstand auf der Strecke
- Erst passiert minutenlang gar nichts, es kommt auch keine Ansage.
- Nach etwa 20 Minuten erklärt der Zugbegleiter, dass „etwas im Gleis“ sei und der Zugverkehr zwischen New York und Philly derzeit eingestellt ist.
- In meinem Kopf beginnt schon das Katastrophenszenario „Evakuierung wie bei der DB“ – darauf hätte ich nach einem langen Tag wirklich wenig Lust.
Nach rund 40 Minuten rollt schließlich ein anderer Zug langsam an uns vorbei – ein gutes Zeichen. Kurz darauf fahren wir selbst wieder los. Insgesamt 45 Minuten Verspätung – nicht schön, aber auch kein Drama, wenn man keinen engen Anschluss hat.
Ankunft in New York: Unterirdisches Finale
Die letzten Minuten gehören dem bekannten Finale der Zugfahrt nach Manhattan:
- Vorbei an Newark,
- über die Brücken und durch Industriegebiete,
- dann hinein in den Tunnel unter dem Hudson River zur New York Penn Station.
Dort endet die Reise in einem ziemlich verwinkelten unterirdischen Bahnhof, der weder den Charme noch die Übersichtlichkeit der Union Station erreicht – dafür steht man hier aber direkt am Puls von Manhattan.
Ein langer Reisetag geht zu Ende – und damit sind wir bei der wichtigsten Frage:
Lohnt sich der Amtrak Northeast Regional?
Mein Fazit fällt klar positiv aus.
Vorteile:
- Preis: Mit etwas Planung ist die Verbindung oft deutlich günstiger als Flug oder Acela – und manchmal sogar konkurrenzfähig zum Bus.
- Komfort: Sehr viel Beinfreiheit, bequeme Sitze, Steckdosen – das fühlt sich eher nach 1. Klasse Light als nach gedrängter 2. Klasse an.
- Innenstadtnah: Du startest im Zentrum von Washington und kommst im Herzen von New York an – ohne Security-Line, ohne Gepäckband, ohne lange Transfers.
- Personal: Freundliche, hilfsbereite Mitarbeiter, die in stressigen Situationen menschlich reagieren.
Nachteile:
- Unzuverlässiges WLAN – für Business-Reisende kann das nervig sein.
- Verspätungen sind möglich, vor allem auf einer so stark befahrenen Strecke.
- Die Tariflogik ist gewöhnungsbedürftig: Wer spontan ist, zahlt sehr viel mehr als Frühbucher.
Trotzdem: Für mich ist der Amtrak Northeast Regional die beste Art, zwischen Washington und New York zu reisen, wenn man Zeit und Budget im Blick behalten will.
Wenn du die ganze Fahrt mit allen Eindrücken, Original-Ansagen und On-Board-Atmosphäre sehen willst, schau dir unbedingt mein YouTube-Video „Washington–New York für 25$: Lohnt sich der North East Regional von Amtrak wirklich?“ an. Dort gibt es die bewegten Bilder zu diesem Blogartikel – inklusive Lok-Nerd-Momenten, Live-Reaktion auf die Verspätung und Blicken in die Union Station.
Hast du selbst schon Erfahrungen mit Amtrak oder anderen Zügen in den USA gemacht?
Schreib mir gerne einen Kommentar – egal ob unter diesem Blogpost oder direkt unter dem Video. Und wenn du Ideen hast, welche Zugstrecke ich als nächstes testen soll, freue ich mich riesig über Vorschläge: vielleicht ein Langstrecken-Sleeper quer durch die USA, Brightline in Florida oder wieder ein spannender Vergleich mit der Deutschen Bahn.